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cyan guitars


Ich stehe in einem Kleinod. Und zwar so einem, das in keinem Hamburg-Reiseführer zu finden ist. Klar, warum sollte es auch, hier ist ja erstmal nichts. Dieser Hinterhof ist schmal, unscheinbar
und hat eine Laderampe für Laster, die hier niemals reinpassen. Möbelreste dösen zum Sound der benachbarten großen Pause in der Morgensonne, während vorm Tor der Baustellenverkehr zum Erliegen kommt. Doch schon die Adresse an der Budapester Straße lässt erahnen, dass sich hinter dieser Kulisse noch etwas anderes verbirgt. Es weht ein Wind über den Hof, der nur hier in den Bäumen rauscht, tief im Herzen von St. Pauli – gegenüber vom Millerntor und zwischen den wenigen Freigeistern, denen der Herzschlag den Rock durch die Venen pumpt. Verheißungsvoll.
Hier hinten hängt ein Banner neben einer Stahltür:
cyan
custom guitars
made in germany

Tom heißt uns in seinen heiligen Hallen willkommen. Die heiligen Hallen heißen „cyan guitars“ und sind genau genommen eine Werkstatt. Es riecht nach Holz, Lack und Werkzeugen. An den Wänden hängen unfertige Gitarren. Hier baut Tom seine einzigartigen Instrumente. Cyan gibt es seit fast 25 Jahren, seit 2003 an dieser Adresse. Es scheint, als habe die kleine Manufaktur hier ihre Heimat gefunden. Im Alter von 13 Jahren baute Tom seinen ersten Bass aus einem Regalbrett seines Vaters. Er hatte eben keinen gefunden, der ihm gefiel. 1984 folgte die erste funktionierende Gitarre. Natürlich blieb es nicht bei einer. Sein erster Kunde war dann sein Gitarrenlehrer, während Tom seine Liebe zur lauten Musik in diversen Hamburger Bands kundtat. Er absolvierte eine Tischlerlehre in einer Fensterbaufabrik. Holzbearbeitung erfolgte hier eher maschinell, doch Opa und Papa hatten ihn ja jahrelang in der eigenen Werkstatt basteln lassen. Niemand schien überrascht, als der Tischler und Musiker seinen Job hinwarf, um Gitarren zu bauen. Professionell. Zunächst ein halbes Jahr unter fremder Federführung doch dann allein.
Cyan guitars war aus Holzspänen und Willenskraft emporgestiegen. Während Tom erzählt, zeigt er noch sein eigenes kleines Studio eine Raum weiter, in dem er Musik macht. Es wird klar, warum er diesen Ort so liebt. Hier kann er tun, was er will: Gitarre spielen, Gitarren bauen, Kunden und Freunde empfangen. Er erzählt von seiner Jugend in Langenhorn-„Punkcity“, und dass er auf dasselbe Gymnasium ging wie die Hamburger Urgesteine der Punkband „Slime“.

Er spricht von befreundeten Musikern, ihrem Gothic-Rock-Projekt „Lord of the Lost“ und dass er für den Gitarristen, Keyboarder, Percussionist und Sänger (in einem) der Band die „Baritone Keytar N.O.R.A.“ gebaut hat, Sie hat zwei Saiten („mehr braucht man nicht für Powerchords“) und ein Keyboard. Es sollte ein Ende haben mit einer runterhängenden Gitarre, während die andere Hand Keyboard spielen muss. So ist N.O.R.A. neben einer Gitarre auch ein USB-Midi-Controller, mit dem man alle Soundgeneratoren ansteuern kann.

Tom erzählt weiter. Vom ersten Satz an scheint es, als seien Worte für ihn nur das Transportmittel für das, was hinter der Oberfläche liegt, das, wofür Worte schwer zu finden sind. Musik kann so etwas vermitteln – oder man hört einfach bei den Erzählungen genauer hin. Es ist die pure Leidenschaft, die aus ihm spricht, das absolute Bewusstsein, das Richtige zu tun. Die Instrumente sind mehr als bloße Gitarren, sie sind voll der unendlichen Energie ihres Schöpfers. Eines Tages dann stieg der gute alte Kumpel Rod bei den „Ärzten“ ein und brachte Farin Urlaub mit in den kleinen Hof. Der nahm eine Gitarre in die Hand und da blieb sie dann auch. Seit dem ist natürlich die Farin Urlaub (FU) Series fester Bestandteil des Angebots der Gitarrenmanufaktur.


Tom verkauft nur ein paar Gitarren im Jahr und repariert Instrumente. Aber Individualität braucht eben mehr Zeit als die Fertigung von Massenware. Erreicht hat er rein handwerklich alles. Jetzt fehlen noch ein paar Botschafter.
Er weiß, dass seine Gitarren für sich sprechen, also macht sich Tom auf den beschwerlichen Weg durch das Musikbusiness auf zu den großen Charakterköpfen auf den Rockbühnen.
Das nächste Ziel ist James Hetfield von Metallica. Er soll sie nur in die Hand nehmen. „Und wenn nur noch ein Fünkchen Leidenschaft in ihm ist, dann wird er diese Gitarre lieben. Denn sie ist genau für seine Musik gemacht.“ Sie ist eine „Gitarre für Männer“, eine Bariton-Gitarre. Solche entstehen derzeit häufig in der Werkstatt. Eine normale Fender hat einen Hals von 65 cm, der Hals der Bariton-Gitarre ist 72 cm lang. Damit klingt sie tiefer, urgewaltiger und härter. Die Musik, die sie hervorbringt, klingt anders als die, die man sonst mit Gitarren machen kann. Sie ist ein König unter den Rhythmusgitarren der harten Musik mit einem edlen Corpus und dicken Saiten.

Ausschlaggebend für den Bau der Instrumente ist das Holz. Für den Hals der Bariton-Gitarren verwendet Tom Ovangkol, ein westafrikanisches Holz immergrüner Bäume mit brauner bis olivbrauner Grundfärbung und dunklen Adern. Den Corpus baut er mit Vorliebe aus Swamp-Ash (Sumpfesche). Die Sumpfesche steht in feuchtem und sumpfigem Gelände. Für den Bau des Gitarrenkörpers wird der unter Wasser liegende Teil des Tropenholzes verwendet. Auch das formt den besonderen Charakter der Töne und der Haptik. Oder er nimmt Vogelaugenahorn.
Jedes Holz hat hier seine Zertifikate. Das Wissen über das Material entsteht in langen Jahren aus Erfahrungen und Experimenten. An diesem Vormittag werden uns tiefe Einblicke gewährt. Sowohl in die Arbeit als auch in die Gedankenwelt dieses eigenwilligen Mannes. Besondere Talente kann man ohnehin nicht klauen.

Im Laufe der Jahre hat er neben vielen anderen Sylt als Gitarre gebaut und eine Tennisschlägergitarre, und er hat Farin Urlaub, Slime, Tocotronic, Bela B., Holy Moses und Mastodon mit Instrumenten beglückt. Er hat mehr Ideen als er umsetzen kann. Wenn Tom seinen Namen unter seine Arbeit setzt, dann spricht das Resultat für sich.
Und wenn auch nur noch ein Fünkchen Gitarrenliebhaber in
James ist, dann wird er alle Bariton-Gitarren kaufen. Und wenn nicht, sind sie trotzdem großartige Unikate.

I don’t watch the news, ‘cause singin’ the blues
Is goin’ out of style
Get out on the town, forget to frown
Learn how to smile

Dance and sing, let it ring
Dance and sing,
Rock’n’Roll is king
Yeah it is

(Rose Tattoo)

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